„Ich rieche was, das du nicht siehst!“ – Faszination Mantrailing
Frage eines Passanten ohne Hund: „Ist es jetzt modern, eine Warnweste zu tragen, wenn man seinen Hund ausführt?“ Die Antwort lautet natürlich: Nein! Was aber absolut im Trend liegt, ist eine besondere Nasenarbeit mit Hund, die entsprechende Sicherheitskleidung notwendig macht. Beim Mantrailing bewegen Hund und Hundeführer sich im Straßenverkehr nämlich nicht nach bekannten Regeln – vielmehr ist hier die Hundenase „Chef“.
Mantrailing (zu Deutsch: Personensuche) ist eine Hundebeschäftigung, die laufend neue Anhänger findet. Woran liegt das?
Wer einen Personenspürhund führt (besser: sich von ihm führen lässt) gibt sich einer fremden Geruchswelt hin. Die Faszination liegt in dem Vertrauen in unseren Hund, da nur er den unsichtbaren Wegen mit seinem Geruchssinn folgen kann. Am Ende des Trails dann „plötzlich“ vor der gesuchten Person zu stehen, begeistert jedes Mal aufs Neue und macht regelrecht süchtig.
Wie funktioniert Mantrailing?
Ein ausgebildeter Mantrailer oder Personenspürhund kann dem Individualgeruch einer bestimmten Person folgen – bis er sie gefunden hat. Dazu bekommt er am Beginn des Trails (wichtig: nicht der „Fährte“) einen Geruchsgegenstand der vermissten Person. Das kann beinahe alles sein: vom Taschentuch über einen Gegenstand wie einen Stift bis hin zum benutzten Kaugummi. Ein gut ausgebildeter Mantrailer nimmt diesen Geruch auf, vergleichbar mit einem „Geruchsbild“ des Vermissten und gleicht sie mit anderen menschlichen Gerüchen ab. So ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Personenspürhund seinen Hundehalter an der Schleppleine sogar sicher durch ein volles Einkaufszentrum führt – schließlich führt die Witterung der gesuchten Person ihn hier entlang!
Individualgeruch – was riecht der Hund überhaupt?
Was genau die Hundenase mit ihren rund 300 Millionen Riechsinneszellen verfolgt, können wir nur raten. Vermutlich ist es eine Mischung aus Hautschüppchen (Menschen verlieren bis zu anderthalb Gramm pro Tag), darauf ansässigen Bakterien und Körperflüssigkeiten wie Speichel und Schweiß. Armin Schweda, Leiter der Rettungshundestaffel in Hof/Saale und Autor des Buches „Mantrailing – finden statt suchen“ formuliert diese Schwierigkeit so: „… wir können Mantrailing gar nicht ausbilden. Wir wissen kaum etwas über Geruch, wie er sich verhält und was der Hund überhaupt sucht.“ Was können wir als Hundeführer dann überhaupt wahrnehmen, das uns zeigt: Mein Hund folgt der gesuchten Person?
Schleppleine und Körpersprache des Hundes
Beim Mantrailing trägt der Hund ein passendes Suchgeschirr – das nur zu diesem einen Zweck verwendet werden darf! – und eine Schleppleine. Mit den rund acht Metern hat der Personenspürhund genügend Freiheit, sich das Geruchsbild der Umgebung zu erschließen und dem Trail ungehindert zu folgen. Dabei sehen wir, wie er uns mit seiner Körpersprache etwas über den Trail erzählt. Ist der Körper zum Beispiel gerade, das Tempo einheitlich und die Nase mittelhoch, sagt er: „Ich habe den Geruch, ich weiß genau, dass es hier langgeht!“. Wird der Zug an der Leine stärker, gehen wir davon aus, dass wir uns der gesuchten Person nähern. Wird der Gang des Suchhundes ungleichmäßig, pendelnd oder stellt er sich quer, zeigt unser Gefährte uns deutlich seine Unsicherheit – er hat vermutlich den Trail verloren. Das ist nur ein winziger Bruchteil dessen, was die Körpersprache des Hundes uns während der Suche sagen kann. Darüber hinaus ist natürlich die individuelle Körpersprache eines jeden Hundes zu berücksichtigen.
Der Trail – eine unbekannte Welt
Weil eine Hundenase unserer so überlegen ist und der für uns nicht sichtbaren „Duftspur“ kilometerweit folgen kann, heißt es für uns: Vertrau deinem Hund! Wir begeben uns in eine fremde Welt, die uns als „Augentiere“ verunsichert. Also müssen wir die Sprache, in der unser Hund spricht, genau lernen. Das geschieht beim Trailen nicht über Nacht, sondern braucht monate- bis jahrelanges Training als Team.
Ausbildung eines Mantrailers
Die Ausbildung eines künftigen Mantrailers beginnt lange vor dem ersten Anlegen eines Suchgeschirrs. Personenspürhunde arbeiten überwiegend in der Stadt. Darum sollte bereits ein junger Hund Straßenverkehr, Treppen, Aufzüge, Menschenmengen, U-Bahnen oder Baustellen kennenlernen. Diese Umweltreize werden ihn so auf künftigen Trails nicht mehr beeinflussen. Wer gemeinsam bereits all diese „Gefahren“ gemeistert hat, startet als eingeschweißtes Mensch-Hund-Team in die Ausbildung. An deren Beginn stellen sich die Weichen: Soll das Mantrailing für meinen Hund eine Beschäftigung sein, oder habe ich die Ambition, ihn zu einem Rettungshund auszubilden? Trailen ist immer zeitaufwendig, ob als Hobby oder in einer Rettunghundestaffel. Soll die Nasenarbeit zur Freizeitgestaltung dienen, sollten Trailwillige ein bis zwei Trainingseinheiten in der Woche einplanen. Wer mit seinem Personenspürhund Menschenleben retten will, sollte pro Tag ein bis zwei Stunden Zeit fürs Training mitbringen. Wie die Entscheidung auch ausfällt: Trailen fasziniert, es macht Spaß und fördert die Mensch-Hund-Bindung.
Ist Trailen etwas für jeden Hund?
Alle Hunde sind im Grunde ihres Wesens Raubtiere − also besitzen alle die Fähigkeit, zu jagen und einer Witterung zu folgen. Daher kann grundsätzlich jeder Hund lernen zu trailen. Das Prinzip beherrscht er natürlich schon. Er muss nur noch begreifen, dass er uns zu der Person führen soll, deren Geruch wir ihm gezeigt haben. Die Verknüpfung geht schnell, denn bei diesem Menschen wartet die beste Belohnung, über die sich Möpse, Schäferhunde und Magyar Viszlas gleichermaßen freuen. Sie finden einen Menschen, der sie überbordend lobt, mit ihnen spielt oder sie füttert. Möpse oder andere plattnasige Hunderassen besitzen natürlich nicht das Riechorgan eines Jagdhundes. Doch kürzere Strecken, just for Fun, können sie ebenfalls bewältigen. Ob kurze oder lange Trails, ob Hobbytrailer oder Rettungshundeführer: Der Zweck hat keinen Einfluss auf die Faszination, die vom Mantrailing ausgeht.